#mehrMädelsindiePolitik – Interview mit Wiebke Winter
Nachdem ich bisher mit Frauen aus der Wirtschaft hauptsächlich gesprochen habe, freut es mich sehr, dass ich nun die Möglichkeit hatte, mit einer jungen, aufstrebenden Politikerin zu sprechen. Mit Wiebke Winter habe ich unter Anderem über ihre Ziele, hate speech sowie über Frauen in der Politik allgemein gesprochen:
Liebe Wiebke, magst du dich einmal vorstellen?
Mein Name ist Wiebke Winter und bin 25 Jahre alt. Mit 4 Jahren bin ich aus Kiel nach Bremen gezogen. Ich bin also an der Weser aufgewachsen und hier zur Schule gegangen. Anschließend habe ich Jura an der Bucerius Law School in Hamburg studiert, an der ich jetzt im Medizinrecht promoviere. Nebenbei – bzw. heute gar nicht mehr so nebenbei – mache ich Politik. Ich bin seit 2012 in der Jungen Union und seit 2013 auch in der CDU Mitglied. Dort habe ich mich lange engagiert und bin mittlerweile Landesvorsitzende der JU Bremen, sitze im Bundesvorstand der JU, im Kreisvorstand der CDU Bremen Nord und im Bundesvorstand der CDU Deutschland und möchte jetzt im September in den Deutschen Bundestag für den Wahlkreis 55, also u.a. Bremen-Nord und Bremerhaven.
Was sind deine drei wichtigsten Forderungen als Politikerin?
Wir müssen in der Klimapolitik ehrgeiziger werden: Sprich, wir müssen alles dafür tun, das 1,5 Grad-Ziel einzuhalten. Zweitens müssen wir das Rentensystem reformieren, damit auch unsere Generation noch eine richtige Rente erhalten wird. Und drittens möchte ich mich für mehr Gleichberechtigung einsetzen. Denn auch wenn wir da schon meilenweit besser geworden sind als vor einigen Jahren, gibt es noch erhebliche Unterschiede zwischen Frauen und Männern. Da haben wir haben noch reichlich Luft nach oben!
Wie und warum möchtest du dich gerade für Gleichberechtigung stark machen?
Ich möchte dazu beitragen, dass wir mehr Frauen in die Politik und in Führungsebenen bekommen. Da haben wir noch Nachholbedarf. Wir haben systemisch immer noch Probleme, Frauen eine gleiche Teilhabe zu ermöglichen. Ich sehe die Problematik vor allem noch in den bestehenden gesellschaftlichen Strukturen, dass die Frau „Heim, Herd und – seit neustem – homeschooling“ hat. Der Mann geht raus und verdient das Geld. Das ist natürlich überspitzt dargestellt, aber gerade Corona hat gezeigt, dass immer noch mehr Frauen für Haushalt und Kinder zuständig sind als Männer. Da brauchen wir einen gesellschaftlichen Wertewandel. Wir gehen in die richtige Richtung z.B. mit der Elternzeit. Aber auch da ist es immer noch so, dass deutlich mehr Frauen dies in Anspruch nehmen als Männer und für eine Zeit aus dem Beruf bzw. der Karriere gehen. Frauen stecken in der Karriere öfter zurück als Männer. Dies ist ein ganz wichtiger Punkt!
Solche Stereotypen können und müssen wir ändern. Es ist wissenschaftlich belegt, dass Männern mehr Stärke und Führungsqualität zugetraut wird. Aber wir sind in unserer Gesellschaft auch nur das Bild des erfolgreichen Karrieremannes gewohnt. Ich wünsche mir, das wir da etwas ändern. Das erfordert natürlich auch einen großen gesellschaftlichen Wandel, aber ich bin davon überzeugt, dass Politkerinnen und Politiker auch dafür da sind, den gesellschaftlicher Wandel mit den Stimmen aus der Gesellschaft anzutreiben.
Wenn du doch für Gleichberechtigung einsetzen willst, schaut man auch oft in den eigenen Reihen. Warum glaubst du, sind aktuell nicht viele Frauen in der Politik aktiv?
Politik war historisch immer eine Männerdomäne. Es hat sehr lange gedauert bis wir die erste Ministerin hatten. Die wurde dann auch noch gefragt, wie sie denn eigentlich angesprochen werden möchte: Herr Minister oder Frau Ministerin? Sie sagte, ich denke „Frau Ministerin wäre richtig“. Als dann Adenauer ins Parlament kam, sagte dieser „sehr geehrte Herren“. Die Dame protestierte dann und Adenauer meinte „In dieser Runde sind auch Sie ein Herr“. Oder Gerhard Schröder, der in der Elefantenrunde saß und Angela Merkel mit einem Blick anschaute, der sagte: „Die soll Kanzlerin werden?“. Das sind Momente , die zeigen, dass, Politik immer sehr männerdominiert war. Auch wenn wir seit fast 16 Jahren eine Kanzlerin haben, brauchen wir noch mehr Vorbilder und ein ganz anderes Selbstverständnis, dass Frauen auch in die Politik gehören.
Du hast die Initiative #mehrMädels gegründet. Wie möchtest du damit andere Frauen motivieren, auch in die Politik zu gehen?
Diese Initiative soll vor allem die Sichtbarkeit erhöhen und dafür sensibilisieren, dass es das Problem gibt. Wir organisieren viele Events für die JU. Beispielsweise hatten wir im Dezember unseren ersten Superwoman Day. Dort konnte jede JUlerin aus Deutschland teilnehmen. Es waren coole Speakerinnen dabei, die selbst schon viel in der Politik gemacht und Rede und Antwort gestanden haben. Auf dem Bühnenbild konnte man u.a. Bilder von Ruth Bader Ginsburg, Ursula von der Leyen und Kamala Harris sehen. Alle drei sind starke und inspirierende Ladies. Auf dem Event gab es auch Workshops, z.B. zu dem Thema wie Politik überhaupt funktioniert und wie man die eigene Sichtbarkeit erhöhen kann. Darüber hinaus versuche ich über den Bundesvorstand Arbeitskreise für Frauen auf allen Ebenen der JU zu etablieren, damit die Ansprache von jungen Frauen noch besser funktioniert.
Du hattest letztens dich zum Thema hate speech auf Social Media gegen Politikerinnen positioniert. Ich glaube, dass du selbst auch betroffen warst. Hast du da Tipps, wie man damit umgehen sollte und an wen man sich wenden könnte?
Also zunächst ist es so, dass dies nicht so wahnsinnig vielen ehrenamtlichen Parteimitgliedern passiert, sondern dass man sich schon relativ exponiert äußern muss. Wenn man sich zu Themen äußert, dann dürfen sich natürlich auch andere Leute zu dem Thema zu Wort melden. Wenn das in einem demokratischen, respektvollen Umgang passiert, ist das gut so und da muss man auch mit harscher Kritik leben können. Zur Demokratie gehört einfach, dass andere Menschen auch andere Meinungen haben dürfen. Das ist auch ganz wichtig.
Allerdings werden gerade in Bezug auf Politikerinnen die Grenzen häufig überschritten bis hin zu sexualisierter Gewalt. Ich erinnere mich z.B. an einen Artikel im SPIEGEL mit JUlerinnen über das Thema „Die Generation nach Merkel“, wo Kommentare kamen wie „die wurden doch nur gefragt, weil die hübsch sind“ oder „die konnten doch bestimmt nur gut blasen“. Dort ist keine sachliche Kritik erkennbar. Das ist ziemlich schäbig und gehört sich nicht! Als Politikerin muss man sich angesichts solcher Kommentare leider schnell ein dickes Fell wachsen lassen.
Man ist aber nie alleine und wir unterstützen uns auch gegenseitig stark. Man muss sich nicht jede Kritik gefallen lassen. Wir haben uns dagegen gewehrt, indem wir es öffentlich thematisiert haben. Ich glaube, dass es sehr wichtig ist, dass man sich nicht klein machen lässt, sondern offen gegen derartiges vorgeht. Ansonsten hilft eine Rechtsschutzversicherung, die ich jedem in diesem Zusammenhang empfehlen kann, wenn es über das demokratische Maß hinausgeht.
Du hattest gesagt, dass du gegen Frauenquoten bist. Was hältst du z.B. von Paritätsgesetzen, wie jüngst in Thüringen vom Verfassungsgericht gekippt wurde?
In der CDU Bremen wollen wir die nächste Bürgerschaftsliste paritätisch aufstellen. Das finde ich auch gut so. Was ich aber nicht gut finde, ist, wenn ein Zwang dahinter steht und man keine Ausnahmen zu lässt. Es ist wichtig darauf aber grundsätzlich hinzuwirken und da trägt jede Partei eine große Verantwortung.
Genau, das gerade auch das entsprechende Umfeld geschaffen wird, dass mehr Frauen sich auch engagieren wollen. Was sind denn unabhängig davon deine Ziele für die nächsten Jahre?
Einmal natürlich das Bundestagsmandat. Wenn es klappt, möchte ich gerne in den Deutschen Bundestag. Mit 25 Jahren bin ich definitiv eine der jüngsten Kandidatinnen und Kandidaten. Es ist mir ein sehr großes Anliegen, dazu beizutragen, dass wir die Probleme von morgen lösen. Wenn wir uns anschauen, was Deutschland die nächsten Jahre beschäftigt, dann sehen wir vor allem die Klimakrise, die unsichere Rente, Digitalisierung und den Zusammenhalt in Europa. Wir müssen heute den Grundstein legen, dass wir in 20 Jahren nicht überrollt werden. Und wir können damit nicht länger warten. Meine Generation bzw. unsere Generation betrifft diese Probleme ganz besonders, weil wir von den Krisen noch betroffen sein werden und die zukünftigen Steuern zahlen müssen. Unsere Generation ist zudem bisher im Bundestag kaum repräsentiert. Momentan sind nur 0,7 % der Abgeordneten im Deutschen Bundestag unter 30 Jahre und 17 % der Abgeordneten unter 40 Jahre alt.
Magst du zum Schluss noch einen Fun Fact über dich verraten?
Ich lese jedes Jahr, neben meinen ganzen Aktivitäten, noch über 30 Bücher.
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