Awareness an der Uni schaffen – Ein Interview mit Christina Seifert
Im Interview mit Christina Seifert habe ich über das Thema der Awareness an der Uni im Vergleich zum Berufseinstieg gesprochen. Als Organisatorin von Frauenevents in der Uni und im späteren Unternehmen hat Christina bereits einige Erfahrungen sammeln können. Ebenso berichtet sie, wie sie das Prinzip der Business Sisterhood lebt und welches Verhalten sie von anderen Frauen einfordert. Was Christina übrigens auch mit einer S-Klasse zu tun hatte, könnt ihr im Folgenden nachlesen:
Melanie: Liebe Christina, ich freue mich wahnsinnig, dass es geklappt hat! Könntest du dich zu Beginn kurz vorstellen?
Christina: Ja klar, sehr gern. Erstmal möchte ich dir aber für die Einladung danken. Ich habe mich sehr geehrt gefühlt. Ich bin Christina Seifert, 28 Jahre alt und komme ursprünglich aus Sibirien. Wir sind 1994 nach Deutschland gekommen und seit dem mit Düsseldorf und der Umgebung verbunden. Aktuell wohne ich zusammen mit meinem Freund in Düsseldorf und arbeite bei einer Unternehmensberatung seit gut einem Jahr. Dort mache ich – wie das so ist als Einsteiger – alles einmal Querbeet. Schön ist, dass ich vor rund 2 Wochen schon befördert wurde und jetzt Senior Consultant bin. Ansonsten habe ich zwei Schwestern und bin stolze Tante von einer Nichte und zwei Neffen.
Melanie: Herzlichen Glückwunsch erstmal noch zur Beförderung! Du hattest mir erzählt, dass du in der Uni als Studentin Frauenveranstaltungen organisiert hast. Kannst du darüber noch etwas erzählen?
Christina: Ich habe die Initiative „Women Inspiring Business“ über 3 Jahre lang begleitet. Ich habe damit angefangen im 5 Semester im Bachelor und habe das bis zum Ende meines Masters noch gemacht. Unsere Ziele waren das Thema der Plattformgründung zum Austausch, Netzwerkgründung und generell typische Karrierethemen. Dies haben wir umgesetzt, indem wir Softskill- oder Karriere-Workshops mit Unternehmen organisiert haben. Es war für die Unternehmen eigentlich wie ein Recruitingevent. Auch haben wir zweimal ein größeres Summit zum International Women‘s Day durchgeführt für maximal 50 bzw. 150 StudentInnen.
Melanie: Hattest du damals das Gefühl, dass die StudentInnen überhaupt schon bereit dazu waren die Veranstaltungen anzunehmen oder haben sie sich für diese Themen noch nicht so viele interessiert?
Christina: Ich kann vielleicht mal ein bisschen mehr erzählen zu den Veranstaltungen am International Women‘s Day. Wir haben es geschafft super coole Unternehmen auf den Campus zu bekommen, z.B. Google, Amazon, Accenture, RWE, A T Kearney, Lufthansa etc. Es war eine top Besetzung. Es war klar, dass die Unternehmen auch Zugriff auf die Lebensläufe zwecks Praktika etc. bekommen würden. Das Event war auch komplett gesponsert, sodass die TeilnehmerInnen dafür nichts bezahlen mussten. Dort gab es Speeches, Key Notes, Workshops, Panels, …
Ich hatte das Gefühl, dass die Studentinnen das nicht wirklich angenommen haben. Zum einen konnte man dies an der Teilnahmezahl erkennen. Wir haben die Teilnehmerzahlen nie vollbekommen, weil sich wenige Studentinnen registriert haben. Zum anderen ist in den Gesprächen rübergekommen, dass diese die ganzen Themen nicht wirklich interessiert haben. Die haben gefühlt nicht verstanden, warum es ein solches Event überhaupt gibt. Viele haben in den Gesprächen zum Ausdruck gebracht, dass diesen eine Ungerechtigkeit noch nie widerfahren sei.
Das konnte ich mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, weil ich das tagtäglich an der Uni erlebt und gesehen habe. Wir waren im Jahrgang schon wesentlich mehr Männer als Frauen. Als Frau wurde einem in Gruppenarbeiten nicht zugehört – also mir zumindest nicht. Teilweise wurden meine Vorschläge in eher männlichen Gruppen kategorisch ausgeschlossen. Sobald die gleiche Idee von einem Mann war, wurde diese als „super Idee“ bezeichnet. Wenn man seine Bedenken geäußert hat, war man gleich die Zicke, die immer gegen alles sei. Auch wenn man im Hörsaal intensiver mit dem Professor diskutiert hat, ist es mir mehrfach passiert, dass einem Kommilitonen eher zugehört und vom Professor recht gegeben wurde. Deshalb hat es mich so sehr gewundert, dass eine solche Message von den Studentinnen kam.
Melanie: Ich muss ich wirklich zugeben, dass ich zu Beginn meines Studiums jemand war, der geglaubt hat, dass mein Fleiß und Ehrgeiz immer ausreichen würde. Bei uns in der Jurafakultät gab es aber auch keine Gruppenarbeiten oder wirkliche Diskussionen. Irgendwann hat es bei mir aber dann auch „Klick“ gemacht. Was glaubst du, muss sich generell am Mindset von Studentinnen ändern, damit mehr Gleichberechtigung auch an der Uni geschieht und diese vorbereitet sind für das Berufsleben?
Christina: Ich glaube das geht in die Richtung, was du gerade gesagt hast. Man muss einfach die Awareness dafür haben, dass das Thema allgegenwärtig ist und sie davon nicht ausgeschlossen sind. Aus meiner Sicht gibt es keinen Lebensbereich wo man sagen kann, dass es Ungleichheit dort nicht gibt. Das fängt nicht erst mit dem Beginn des Arbeitslebens an. Bereits im Vorlesungssaal oder bei außercurricularen Aktivitäten kann eine Ungleichheiten bei der Behandlung zwischen Mann und Frau herrschen.
Es ist ganz wichtig einfach die Awareness zu haben, dass es sowas gibt. Dann aber nicht nur alles auf die Männer schieben. Sich selbst an die eigene Nase packen und schauen, welche Verhaltensweisen man an den Tag legt, die zu diesen Ungleichheiten führen könnten. Man sollte diese Themen dann direkt ansprechen und sich nicht als „arme benachteiligte Frau“ fühlen, aber nichts daran selbst versuchen ändern. Auch – finde ich – sollte man andere Frauen nicht als Konkurrentinnen sehen Mädels sollten sich gegenseitig fördern und eine Art Business Sisterhood aufbauen.
Melanie: Welche Tipps kannst du anderen OrganisatorInnen von Frauenevents an der Uni geben?
Christina: Um die Studentinnen zu den Events zu kriegen, denke ich, sollte man in einen aktiven Dialog mit ihnen gehen und sie einfach offen fragen, warum diese nicht kommen wollen.
Melanie: Ist die Awareness bei Berufstätigen eigentlich anders?
Christina: Ja, man merkt dies auch schon auf den unteren Stufen. Aber man merkt eine Veränderung mit den Senioritätslevel. Und die, die es bis ganz nach oben geschafft haben, sind extrem aktiv in dem Bereich, weil diese natürlich schon eben dank ihrer längeren Zeit im Beruf schon das ein oder andere miterlebt haben.
Häufig ist der Abstand zwischen Uni beendet und Berufsleben begonnen nicht besonders groß. Ich denke, dass es so ist, weil viele Frauen sehr viel Herzblut in die Arbeit reinstecken, Verantwortung für ihr Gehalt übernehmen und dann vielleicht wirklich zum ersten Mal erleben diskriminiert zu werden. Das tut weh. Fragen, warum man weniger Gehalt als der männliche Kollege für die gleiche Tätigkeit bekommt oder warum Ideen (vielleicht unbewusst) geklaut werden, stellen sich dann.
Melanie: Vielleicht auch, weil es dann um wichtigere Themen geht als das Ergebnis einer Gruppenarbeit in der Uni.
Christina: Genau, weil es hier um den eigenen, direkten Erfolg geht. Durch das ganze Herzblut, was Frauen regelmäßig in ihre Arbeit stecken, ist mir aufgefallen, dass diese oft 200 % geben möchten und dadurch weniger bereit sind zu riskieren.
Melanie: Ein spannender Gedanke, wo sich viele – ich eingeschlossen – an die eigene Nase packen und intensiver drüber nachdenken sollten. Als du vorhin von der gelebten business sisterhood gesprochen hast, was hast du genau damit gemeint und wie setzt du dies um?
Christina: Bei uns im Unternehmen gibt es viele Fraueninitiativen. Dort gibt es Netzwerke, Get Together oder Vorträge von spannenden Frauen mit alternativen Werdegängen. Beispielsweise spricht in zwei Wochen Sabine Schumann, welche stellvertretende Leiterin der Polizeigesellschaft, Bundesfrauenbeauftragte und Leiterin des Lagezentrums der Berliner Polizei ist. Ich glaube, dass dies Frauen stärkt in der Unternehmensberatung, indem sie mal einen anderen Lebenslauf sehen, als den typischen Berater-Lebenslauf.
Ich persönlich versuche noch aktiver und neutraler auf Frauen zuzugehen. Das musste ich mich am Anfang auch umgewöhnen. Ich möchte offen mit neuen Frauen sprechen und nicht voreingenommen sein, bspw. über Äußerliches. Und was ich insbesondere mache ist den anderen Frauen in irgendeiner Weise was zu geben, zum Beispiel indem ich diese vernetze. Ich versuche aktiv immer zu schauen, ob es ein Job oder eine Förderung gibt, die ich mit anderen Frauen teilen kann. Und auch natürlich ganz offen meine Erfahrungen zu teilen und zu helfen.
Melanie: Ein schönes Schlusswort. Magst du mir noch einen Fun Fact über dich verraten?
Christina: Ich kann eine große Inspektion an einer S-Klasse machen. Ich habe nämlich vor meinem Studium eine Ausbildung zur Industriekauffrau bei der Daimler AG gemacht und musste dort einen Monat mit Blaumann und Stahlkappenschuhen in der Werkstatt stehen.
Melanie: Genial! Hast du denn dann jetzt auch eine S-Klasse?
Christina: Noch nicht, aber ich arbeite langfristig daran. Allerdings habe ich gestern nach 12 Jahren Führerschein das erste Mal einen Wagen gegen eine Säule gefahren, daher weiß ich nicht, ob das die beste Idee ist…
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