Proteste im Iran & Feministische Außenpolitik

Im Iran finden aktuell Massenproteste der Zivilgesellschaft statt – der Beginn einer Revolution (?). Auslöser war der Tod der 22 Jahre alten Mahsa Amini. Die Sittenpolizei hatte sie festgenommen, weil sie angeblich die Zwangsvorschriften für das Tragen eines Kopftuchs nicht eingehalten habe. Sie starb am 16.09.2022 in Polizeigewahrsam aufgrund von Polizeigewalt – die iranische Regierung bestreitet den letzten Punkt jedoch. 

Seit dem Tod von Mahsa Amini demonstrieren landesweit Tausende gegen den repressiven Kurs der Regierung sowie das islamischen Herrschaftssystem. Es sind die massivsten Proteste im Iran seit Gründung der Islamischen Republik 1979. Frauen sind diesmal am lautesten. Mittlerweile sind mehr als 12.000 Menschen festgenommen und hunderte Menschen bereits bei den Demonstrationen getötet worden durch die drastischen Unterdrückungsversuche des Regimes. Und alles dies nur, weil die Menschen im Iran ihre Meinung frei äußern wollen und selbst entscheiden möchten, wie sie leben. 

Frau. Leben. Freiheit.

Die Regierung versucht unter anderem durch Abschaltung und Einschränkung des Internets die Proteste zu unterdrücken. Wie können wir unterstützen? Indem wir eine Stimme geben, informieren und eine Plattform dafür bieten. Leider spielt das Thema jedoch in der deutschen Medienlandschaft nur eine sehr geringe Rolle. Dies muss geändert werden!

Weltweit solidarisieren sich die Menschen mit den Demonstrierenden und stehen ihnen bei. Dabei ist das Lied „Another Love“ zum Symbol der Protestbewegung geworden:

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Bei den Protesten geht längst nicht mehr nur um den Tod Mahsa Aminis oder um die Lockerung von Bekleidungsvorschriften. Es geht generell um die Unterdrückung der Frauen und die Beseitigung des menschenverachtenden iranischen Regimes. Beispielsweise hat aktuell die Aussage einer Frau im Iran vor Gericht nur halb so viel Wert, wie die eines Mannes; singen und tanzen – alles für Frauen verboten. Derartige Freiheitseinschränkung sind nicht hinzunehmen und ich habe die große Hoffnung, dass der Beginn der Revolution das Leben der Menschen im Iran verbessert.

Im Übrigen kann ich das folgende Video von Joko & Klaas zur aktuellen Situation sehr empfehlen. In den 15 Minuten erhält man viele Einblicke über das Leben im Iran und den Protesten:

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Feministische Außenpolitik - Wenn nicht jetzt, wann dann?

Außer der Solidarisierung der Zivilgesellschaft muss nun auch die Politik handeln. Oft liest man nun von Feministischer Außenpolitik. Unsere derzeitige Außenministerin Annalena Baerbock setzt sich für diese ein. Doch was ist Feministische Außenpolitik eigentlich genau und warum fordern diese auch die Iraner:innen von Deutschland? Genau deshalb habe ich das Buch „Die Zukunft der Außenpolitik ist Feministisch“ von Kristina Lunz (Politikwissenschaftlerin) gelesen. 

Bevor ich das Buch gelesen hatte, habe ich Feministische Außenpolitik immer mit der Forderung verknüpft, dass Vergewaltigung als Kriegswaffe eingestuft werden muss. Vielleicht liegt es daran, dass dies eine sehr juristische Forderung ist, aber vielmehr wusste ich leider trotz des wahnsinnig relevanten und aktuellen Themas darüber nicht.

Achtung Spoiler (!): Feministische Außenpolitik geht viel weiter darüberhinaus:

„Feministische Außenpolitik kritisiert vermeintliche Sicherheitsmaßnahmen, die Militarismus fördern oder normalisieren, und macht die Entmilitarisierung zu einem zentralen Thema. Denn Friedenszeit bedeutet nicht immer automatisch, dass Frauen und andere politische Minderheiten friedlich und frei leben können. (…) Feministische Außenpolitik besteht in diesem Prozess auf Inklusivität und transparenten Entscheidungen vom Lokalen zum Globalen in allen Fragen von Frieden und Sicherheit.“ (S. 51)

Es geht daher um „eine globale Sicherheitspolitik, die Menschen – nicht Staaten – ins Zentrum stellt und dazu bisher marginalisierten Gruppen eine Stimme verleiht, die intersektional feministisch ist.“ (S. 53)

Es geht daher nicht nur um Kriegszeiten. Vielmehr geht es um die Lebenssituation der Menschen auch in Friedenszeiten.

Besonders an dem Buch gefallen hat mir, dass die Autorin kurz auf die Ursprünge des Feminismus eingeht und auch Feministinnen der erste Stunde nennt. Ihnen hat der Feminismus viel zu verdanken. Sie mussten sich noch deutlich mehr zur Wehr setzen und Spott anhören als wir es heute müssen. Ohne diese mutigen Frauen wären die Frauenrechte heute nicht da, wo sie sind. Das Buch geht daher inhaltlich weit über reine Feministische Außenpolitik hinaus. 

Hervorragend finde ich daher an dem Buch, dass dieses zunächst für Viele eher abschreckend wirkende Wörter erläutert, wie Patriachat oder Marginalisierung. Dies sind Standardbegriffe im Feminimus. Ich habe jedoch häufig das Gefühl, dass Viele die Bedeutung der Wörter nicht verstehen und daher nicht richtig einordnen können. Beispielsweise sind diese dann tendenziell eher verschreckt, wenn man sich selbst als Feminist:in vorstellt und bezeichnet. Dabei geht es ja eigentlich – salopp gesagt – um nichts anderes als um die Gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen am Leben. Wie kann man bei klarem Verstand dagegen sein? 

Wenn man Feministische Außenpolitik verstehen möchte, muss man freilich erstmal verstehen was Feminismus ist. Genau diesem Anspruch wird das Buch gerecht. Spannend fand ich übrigens auch, dass Schwedens ehemalige Außenministerin Margot Wallström Frauen und Gleichberechtigung erstmals in den Mittelpunkt stellte und damit Feministische Außenpolitik praktizierte. Leider hat Schweden erst jüngst seine Feministische Außenpolitik wieder gekippt. 

Es sei mir ein kritischer Hinweis zu dem Buch jedoch gestattet: Teilweise hätte ich mir noch konkrete, ausdrücklichere Handlungsempfehlungen gewünscht, um die Thematik noch besser einordnen zu können, sowie eine Begründung warum diese sinnvoll sind. Auch wird eher ein exklusiver Eindruck des Feminismus vermittelt, da viele bildungssprachliche Wörter wie „negieren“ (verneinen) oder „maginalisieren“ (an den Rand gedrängt werden) verwendet werden. Dadurch wirkt das Buch sehr akademisch und spricht vielleicht nicht die Massen an – obwohl es dies sollte! Die Verwendung einfacherer Wörter würde jedoch keinesfalls der Qualität des Buches schaden.

Meine Erfahrung zeigt, dass viele Menschen den Feminismus einfach nicht richtig verstehen. Zum besseren Verständnis sind jedoch klare und einfache Wörter erforderlich.

Kann ich das Buch dennoch empfehlen? Ja, definitiv. Allerdings ist es für eine Lektüre abends im Bett wohl nicht geeignet, denn es ist definitiv schwere Kost. Dies liegt freilich aber auch an dem sehr komplexen und anspruchsvollen Thema. Dennoch sollte sich jeder in der aktuellen Zeit mit Feministischer Außenpolitik auseinandergesetzt und diese verstanden haben. Dies gilt unabhängig, ob Feministische Außenpolitik für gut oder schlecht befunden wird. Denn nichts ist nerviger, als wenn über Themen diskutiert wird und der Gegenüber keine Ahnung davon hat – leider habe ich aber gerade das Gefühl, dass dies in der aktuellen Politik an der Tagesordnung ist.

Schließlich ist Kristina Lunz voll dahingehend zuzustimmen, dass wir einen „Wandel hin zu einer gerechten globalen Gesellschaft“ (S. 381) brauchen und dabei muss Deutschland auch durch seine Iranpolitik beitragen. Es gibt bereits Sanktionen gegen einige hochrangige Regimeanhänger. Aber reicht dies überhaupt weit genug? Ich glaube nicht. Es wird sich zeigen, ob unsere Regierung noch weitere Maßnahmen ergreifen wird. Wenn nicht jetzt, wann dann ist Zeit für Feministische Außenpolitik? Denn eins ist sicher: Wir dürfen die Iraner:innen nicht sich selbst überlassen, sondern müssen diese bei ihrem Kampf für Menschenrechte und Freiheit unterstützen.  

Hier geht es zu mehr Female Empowerment Beiträgen.

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