
UK: Gegen Misogynie ab der Schule
Großbritannien zieht Konsequenzen: Angesichts alarmierender Zahlen zur Verbreitung frauenfeindlicher Aussagen unter Jugendlichen hat die britische Regierung einen offiziellen Leitfaden für Schulen veröffentlicht. Ziel ist es, systematisch über Misogynie aufzuklären, Diskriminierung entgegenzuwirken und Präventionsarbeit fest im Schulalltag zu verankern.
Der Anlass ist mehr als besorgniserregend: Laut einer aktuellen Erhebung des Bildungsministeriums gaben 54 % der Schüler*innen im Alter von 11 bis 19 Jahren an, allein in der vergangenen Woche frauenfeindliche Aussagen erlebt zu haben. Jede*r Zweite – innerhalb von nur sieben Tagen. Was viele Frauen seit Jahrzehnten thematisieren, wird nun endlich mit Zahlen belegt: Frauenfeindlichkeit ist kein Randphänomen, sondern Alltag. Auch – oder gerade – bei Jugendlichen.
Frauenhass im Kinderzimmer: Die Rolle digitaler Radikalisierung
Ein zweiter Schritt der britischen Regierung ergänzt die schulische Aufklärungsarbeit: Die Netflix-Serie „Adolescence“wird künftig flächendeckend an Sekundarschulen gezeigt. Die Serie erzählt die Geschichte eines 13-jährigen Jungen und wirft einen kritischen Blick auf die Online-Radikalisierung junger Männer, toxische Männlichkeitsbilder und den schleichenden Einfluss von Influencern, die Misogynie verharmlosen oder gar propagieren.
In einer digitalen Welt, in der TikTok-Algorithmen fragwürdige Männlichkeitsideale befeuern und YouTube-„Mentoren“ wie Andrew Tate Millionen junger Menschen erreichen, ist diese Entscheidung überfällig – und mutig.
Denn was als provokanter Spruch im Gruppenchat beginnt, kann schnell in eine gefährliche Abwärtsspirale führen: Hass gegen Frauen, Verachtung gegenüber Gleichberechtigung und schließlich – in Einzelfällen – der Weg in extremistische Ideologien. Misogynie ist kein Witz. Sie ist der Einstieg in größere Gewaltzusammenhänge.
Der Schulhof ist politisch
Was die Maßnahmen in Großbritannien so wichtig macht: Sie nehmen das Thema aus der Tabuzone und verlagern es dahin, wo es hingehört – in die institutionelle Verantwortung. Schulen sind nicht nur Orte des Lernens, sondern auch soziale Räume, in denen Werte verhandelt und Identitäten geformt werden. Wenn dort systematisch über Geschlechtergerechtigkeit, Machtstrukturen und Respekt gesprochen wird, schafft das die Grundlage für langfristige Veränderung.
Und es zeigt: Frauenfeindlichkeit ist kein individuelles Problem einzelner „auffälliger Jungs“, sondern ein strukturelles Thema, das gesamtgesellschaftlich adressiert werden muss – mit Aufklärung, Empowerment und klaren Grenzen.
Was wir in Deutschland lernen können
Die Entwicklungen in Großbritannien sollten uns auch hierzulande zu denken geben. Ähnliche Studien zur Verbreitung von Misogynie unter Jugendlichen fehlen bisher, doch jede*r, der mit jungen Menschen arbeitet, kennt die Realität: frauenverachtende Memes, sexistische Sprüche, Grenzüberschreitungen im Klassenchat sind längst Alltag.
Deutschland braucht eine vergleichbare Strategie, die Bildungseinrichtungen, Medienkompetenz und Elternhäuser in die Verantwortung nimmt. Denn auch hier formt sich eine Generation, die ihre Haltung zu Gleichberechtigung, Respekt und Gewalt nicht nur im Klassenzimmer lernt, sondern online, oft unbemerkt – und nicht immer in unserem Sinn.
Feminismus beginnt im Unterricht
Die britische Initiative zeigt: Feminismus ist kein Luxusdiskurs, sondern eine Notwendigkeit – gerade im Bildungsbereich. Wenn wir wollen, dass unsere Kinder in einer gleichberechtigten Gesellschaft leben, dann müssen wir heute anfangen, sie darauf vorzubereiten. Mit realistischen Vorbildern, kritischer Medienbildung und einem klaren „Nein“ zu jeder Form von Hass. Großbritannien geht mutig voran. Wir sollten folgen.